Rechnet sich eine BU im Rahmen der Direktversicherung (BAV)
- Die Berufsunfähigkeitsrente im Rahmen der Direktversicherung hat auf den ersten Blick einige Vorteile, aber eben auch viele versteckte Nachteile.
- Der Arbeitgeber ist immer der Versicherungsnehmer, weswegen dieser unter Umständen auch detaillierte Informationen zu deinem Gesundheitszustand erfährt.
- Bei einem Arbeitgeberwechsel kann der neue Arbeitgeber die Übernahme des Vertrags ablehnen.
- Du kannst dir deinen BU-Anbieter meist nicht selbst aussuchen, obwohl es große Leistungsunterschiede gibt.
Immer häufiger werden am Markt auch selbstständige Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) in Form einer Direktversicherung abgeschlossen und diese mit einem Sparbeitrag in der BAV gekoppelt.
Dieses Modell erscheint durch die Einsparung der Sozialversicherungsbeiträge besonders vorteilhaft, da der Beitrag für die BU-Absicherung vordergründig deutlich niedriger ausfällt. Warum du am Ende aber oft draufzahlst, erfährst du hier.
Inhaltsverzeichnis
Welche Nachteile hat die Entgeltumwandlung?
Wenn der Staat etwas fördert, dann fordert er meist auch. Häufig erfolgt dies durch versteckte steuerliche Sanktionen. Das kennst du vielleicht schon von der unvorteilhaften nachgelagerten Besteuerung der Riester- und Rürup Renten, den anderen beiden staatlich geförderten Produkten.
Auch bei der Berufsunfähigkeitsversicherung im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge (BAV) gibt es einen steuerlichen Nachteil, und zwar im Leistungsfall.
Die meisten Finanzberater konzentrieren sich bei ihren Berechnungen aber immer nur auf die leistungsfreie Ansparphase und rechnen den Arbeitnehmern vor, welche Einsparungen bei der BU-Prämie im Rahmen der Direktversicherung möglich sind.
Aber was passiert im Leistungsfall? Sollte durch längere Krankheit oder Unfall der Leistungsfall eintreten, dann ist deine Berufsunfähigkeitsrente in der BAV voll zu versteuern und wird zusätzlich noch mit Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen belegt.
Die genaue Höhe hängt auch von deinem Krankenversicherungsstatus ab, dazu weiter unten mehr.
Welche finanziellen Auswirkungen hat die Vorsorgeschicht auf deine Berufsunfähigkeitsrente?
1. Selbsständige BU in der 3.Schicht (privat)
Stellen wir doch einfach mal beide Möglichkeiten anhand eines Beispielkunden gegenüber:
1. Private Absicherung über eine selbstständige Berufsunfähigkeitsrente (Schicht 3)
Hier wird die Berufsunfähigkeitsrente (BU-Rente) je nach Laufzeit der BU-Rente mit einem bestimmten Ertragsanteil besteuert.
Die grobe Faustformel lautet also, Laufzeit der BU-Rente in Jahren entspricht dem zu versteuernden Ertragsanteil in Prozent.
Und wer es ganz genau wissen will, der findet alle Zahlen auch noch mal hier.
Unser Musterkunde
- wird mit 45 Jahren berufsunfähig
- die Berufsunfähigkeitsrente endet mit dem 67. Lebensjahr.
- ist ledig und hat keine Kinder
- lebt in NRW und zahlt Kirchensteuer
- ist bei der Techniker pflichtversichert
- und verfügt über eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente von 1.050 €
Hier bezieht unser Musterkunde eine BU-Rente von 2.000 € aus der privaten Vorsorge (3. Schicht).
Die Laufzeit der Rente beträgt also 22 Jahre, woraus sich ein Ertragsanteil von 23 % ergibt.
Das bedeutet konkret in der 3. Schicht:
Von den monatlich 2.000 € Berufsunfähigkeitsrente sind nur 460 € = 23 % Ertragsanteil mit seinem persönlichen Steuersatz zu versteuern. Die Erwerbsminderungsrente wiederum wird mit 80 % angesetzt.
Hieraus ergibt sich folgende Berechnung für das Jahr 2023:
Es fallen also lediglich 2.891,16 € p.a. oder 240,93 € pro Monat für Steuern und die gesetzliche Krankenversicherung an.
Unser Musterkunde verfügt im Leistungsfall bei einer privaten Berufsunfähigkeitsrente (3.Schicht) somit bei einer monatlichen Bruttorente von 3.050 € über ein monatliches Nettoeinkommen von 2.809,07 €.
2. Absicherung in Form einer betrieblichen Altersvorsorge (BAV)
Die Berufsunfähigkeitsrente über die BAV ist im Leistungsfall hingegen voll zu versteuern. Wir nehmen wieder unseren Musterkunden mit den gleichen Eckdaten:
- wird mit 45 Jahren berufsunfähig
- die Berufsunfähigkeitsrente endet mit dem 67. Lebensjahr.
- ist ledig und hat keine Kinder
- lebt in NRW und zahlt Kirchensteuer
- ist bei der Techniker pflichtversichert
- und verfügt über eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente von 1.050 €
Diesmal bezieht unser Musterkunde auch eine BU-Rente von 2.000 € mtl., aber nun wurde diese im Rahmen einer Direktversicherung abgeschlossen.
Da es sich um eine betriebliche Altersvorsorge handelt, ist diese Form der Berufsunfähigkeitsrente voll steuerpflichtig.
Das bedeutet für die BAV konkret:
Es fallen im Rahmen der BAV also plötzlich 8.190,72 € p.a. oder 682,56 € pro Monat für Steuern und die gesetzliche Krankenversicherung an.
Unser Musterkunde verfügt im Leistungsfall wieder über eine Bruttorente von 3.050 € mtl., kann aber in der BAV (2.Schicht) nur noch über ein monatliches Nettoeinkommen von 2.367,44 € verfügen.
Damit du dir die Unterschiede noch einmal konkret anschauen kannst, findest du anbei die beiden Varianten im direkten Vergleich:
Im Leistungsfall fehlen dir in der BAV Variante jeden Monat netto 454 €, gegenüber der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung. Das ist auf jeden Fall wichtig zu wissen und wird unserer Erfahrung nach leider selten offen in den BAV-Beratungen kommuniziert.
Sonderfall Ärzte, Rechtsanwälte und Menschen im Versorgungswerk
Wenn du Mitglied im Versorgungswerk bist, dann fallen die Abzüge oft noch größer aus.
Denn wenn du als Arzt, Zahnarzt, Notar, Rechtsanwalt etc. ausschließlich eine Berufsunfähigkeitsrente aus dem Versorgungswerk beziehst und keine Erwerbsminderungsrente aus dem gesetzlichen System bekommst, dann wirst du als BU-Rentner zu einem freiwillig versicherten GKV Mitglied.
Dies gilt auch dann, wenn du vorher gesetzlich pflichtversichertes Mitglied warst.
Auch bei Selbstständigen, die ausschließlich eine private Berufsunfähigkeitsrente beziehen, fallen höhere Krankenversicherungsbeiträge an.
Bei dem oben genannten Beispiel sieht die Rechnung für den dann freiwillig versicherten GKV Rentner nämlich wie folgt aus:
Grundsätzliches zu den Berechnungen: Alle Zahlen wurden gut recherchiert, aber trotz größter Sorgfalt können wir keine Garantie für deren Richtigkeit übernehmen und der Artikel ersetzt in keinem Fall eine steuerrechtliche Beratung. Bitte nimm hierfür Kontakt mit deinem Steuerberater auf.
Von den 3.050 € mtl. Bruttorente bleiben als freiwillig eingestuftes GKV-Mitglied in der BAV sogar nur noch 2.100,16 € Nettorente über.
Als freiwilliges GKV-Mitglied drohen dir aber noch weitere Nachteile, denn deine Krankenversicherungsbeiträge bemessen sich nach deiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Alle deine Einnahmen (auch Einmalzahlungen) sind plötzlich in der GKV beitragspflichtig.
Hierunter fallen zum Beispiel:
- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
- Renten aus Versorgungskassen und Zusatzversorgungskassen
- Private Rentenversicherungen
- Veräußerungsgewinne
- und vieles mehr
Eine vollständige Liste aller Einkommensarten und die jeweilige Einstufung des GKV-Spitzenverbandes findest du hier: https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/grundprinzipien_1/finanzierung/beitragsbemessung/2023-12-11_Katalog_Beitragseinnahmen_240SGBV_barrierefrei.pdf
Und auch wenn dein Ehegatte PKV versichert ist, kann es teuer werden. Denn in diesem Moment wird dir auch dessen halbes Einkommen zugerechnet. So kann es sein, dass du trotz einer geringen Berufsunfähigkeitsrente aus dem Versorgungswerk dennoch den Höchstbeitrag in der GKV bezahlen musst.
Weitere Unterschiede BAV und 3.Schicht
Die Beiträge zur Berufsunfähigkeitsversicherung finanzierst du aus deinem Gehalt. Stellt dein Arbeitgeber aufgrund einer längeren Krankheit (in der Regel nach 6 Wochen) die Lohnfortzahlung ein, so endet damit auch die Beitragszahlung für die BU-Versicherung im Rahmen der BAV.
Der Vertrag wird dann häufig zunächst beitragsfrei fortgeführt und der BU-Schutz dadurch massiv reduziert. Wenn du nun berufsunfähig wirst, erhältst du nur noch einen Bruchteil der ursprünglich vereinbarten Leistungen.
Du kannst den Vertrag zwar auch privat weiterführen, aber einige Kunden können und wollen die hohen Beiträge während des reduzierten Krankengeldes nicht aufbringen. Dasselbe gilt häufig auch bei Arbeitslosigkeit.
Auch ein Arbeitgeberwechsel kann problematisch sein, weil der neue Arbeitgeber deinen bestehenden Vertrag nicht übernehmen muss. Dein Arbeitgeber muss dir lediglich ein BAV anbieten, den Anbieter hingegen darf er vorschreiben.
Das heißt, du hast einen BU-Vertrag mit der Versicherung A, dein Arbeitgeber akzeptiert aber nur Verträge der Versicherung B. In diesem Moment musst du deinen BAV-Vertrag privat weiterführen, wenn du deinen Versicherungsschutz nicht verlieren möchtest.
Alternativ machst du einen neuen Vertrag bei der Versicherungsgesellschaft deines Arbeitgebers, dies geht aber dann mit einem neuen Eintrittsalter (oft teurer) einher und eventuell ist auch eine neue Gesundheitsprüfung (Risikozuschläge und Ablehnung möglich) notwendig.
Und es kann noch andere Gründe geben, die gegen eine Berufsunfähigkeitsversicherung im Rahmen einer Entgeltumwandlung sprechen, z. B. ist der Arbeitgeber Versicherungsnehmer und erfährt daher im Leistungsfall oft alle gesundheitlichen Details von dir.
Fazit
Der Beitrag zur Berufsunfähigkeitsversicherung mag im Rahmen der BAV auf den ersten Blick niedriger erscheinen, aber dafür zahlst du auch einen sehr hohen Preis im Leistungsfall.
Denn als pflichtversichertes GKV-Mitglied erhältst du im Leistungsfall in der betrieblichen Altersvorsorge 116.756,24 € (442,26 € x 12 Monate x 22 Jahre) weniger BU-Rente bzw. dein monatliches Nettoeinkommen fällt Monat für Monat um 442,26 € niedriger aus.
Sofern du deine Berufsunfähigkeitsversicherung über die betriebliche Altersvorsorge absichern möchtest, so solltest du die spürbar höheren Abgaben im Leistungsfall einplanen. Wie Berufsunfähigkeitsrenten im Leistungsfall, je nach Vorsorgeschicht steuerlich bewertet werden, das kannst du hier noch einmal genauer nachlesen.
Dies kann aber auch dazu führen, dass die Mehrprämie für die höhere Berufsunfähigkeitsrente, die Ersparnis aus den Sozialversicherungsbeiträgen übersteigt.
Ferner können bei längerer Krankheit (meist nach 6 Wochen), bei Arbeitslosigkeit und Arbeitgeberwechsel Probleme auftauchen, da du den Beitrag nun privat zahlen musst.
Aber auch die Bedingungen und Tarifprämien der Anbieter unterscheiden sich enorm voneinander. In der BAV schreibt dir dein Arbeitgeber aber größtenteils einen Anbieter vor. Ob dieser wirklich ein gutes BU-Produkt und eine faire Leistungsprüfung hat, kann dein Arbeitgeber nicht wirklich beurteilen.
Bei einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung bist du hingegen deutlich flexibler. Du kannst dich unabhängig beraten lassen und somit einen für dich passenden Anbieter auswählen, verfügst über eine höhere Nettorente und dein Vertrag kannst du unabhängig von deinem Arbeitgeber gestalten und fortführen.
In einigen wenigen Ausnahmefällen kann es dennoch Gründe für eine Absicherung der Berufsunfähigkeitsversicherung über die BAV geben, z. B. vereinfachte Gesundheitsfragen, Zuschuss des Arbeitgebers etc.
Es empfiehlt sich daher, die möglichen Lösungen in der „Ansparphase“ und Leistungsphase zu betrachten.